Mehr als nur ein arbeitsrechtlicher Fall

Passfoto Michael Berger

Der Neonazi und Dreifachmörder Michael Berger war Mandant von Nadja Lüders.

Es sind nur fünf Zeilen, doch sie haben einige politische Sprengkraft: “Ich habe im Jahr 1999 Michael Berger in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten. Dabei ging es um eine Kündigungsschutzklage, die keinerlei politischen oder gar rechtsextremistischen Hintergrund hatte. Dieser Vorgang hatte nichts mit den im Ausschuss zu untersuchenden Vorgängen zu tun.” Geschrieben wurden sie am 19. März von Nadja Lüders, der Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses NRW. Und ihr Mandant, Michael Berger, gehörte in den 90er Jahren zur Dortmunder Neonaziszene. Am Montag hat sie nun den Ausschussvorsitz abgegeben.

Die Ruhrbarone hatten in der vergangenen Woche über diese Erklärung der UA-Vorsitzenden Lüders (SPD) berichtet. In einem Interview mit dem WDR erklärte die Dortmunderin, den Neonazi und dreifachen Polizistenmörder nach einer fristlosen Kündigung vertreten zu haben. Er sei 1999 einer ihrer ersten Mandant*innen gewesen, seine rechte Einstellung sei nie Thema gewesen.

Berger gehörte Ende der 1990er Jahre zur Dortmunder Neonaziszene. Er ermordete im Juni 2000 drei Polizist*innen und tötete danach sich selbst. Berger war ein Freund von Sebastian Seemann, der wiederum sowohl Mitglied in der Combat-18 nahen “Oidoxie Streetfighting Crew” als auch V-Person des Verfassungsschutzes war. Beide dürften militante Neonazistrukturen unterstützt haben. Die Dortmunder Neonazis feierten die Morde in Dortmund und Waltrop mit dem Bekenntnis “Berger war ein Freund von uns – 3:1 für Deutschland”.

Bei allem, was wir bewerten, müssen wir berücksichtigen, dass wir heute viel mehr wissen als vor 16 Jahren. Lüders gibt an nicht gewusst zu haben, dass Berger ein Neonazi sei. Unabhängig davon, hätte sie dieses Mandat viel früher öffentlich bekannt machen müssen – und zwar spätestens in dem Moment, in dem sie als Mitglied des Ausschusses im Gespräch war. Mit der Entscheidung für den NSU-Untersuchungsausschus im nordrhein-westfälischen Landtag war klar, dass nicht nur der Mord an Mehmet Kubaşik und das Bombenattentat in der Kölner Keupstraße sowie in Düsseldorf-Wehrhahn aufgeklärt werden soll, sondern auch weitere Hintergründe, Helfer*innenstrukturen sowie die Polizist*innenmorde im Jahr 2000, für die Michael Berger verantwortlich war.

Nadja Lüders hat nun die Konsequenzen gezogen und den Ausschussvorsitz abgegeben. Sie wolle, so erklärte sie, Schaden vom Ausschuss abwenden. Das ist ein guter und wichtiger Schritt. Schwerer wiegt, dass der Fraktionsvorstand, den sie wohl schon vor längerer Zeit informiert hatte, darin kein Problem sah. Diese Einschätzung war falsch. Und sie zeigt einmal mehr, dass die Tragweite des NSU und seiner Hintergründe in Dortmund und NRW vielen Entscheider*innen in Politik und im Justizpparat noch immer nicht klar zu sein scheint. Sie haben über 13 Jahre lang die Augen vor dem rechten Terror verschlossen, und sie haben immer noch nicht damit aufgehört.

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